Meret

18 Jahre

Ich habe 2014 meinen Realschulabschluss erreicht und befinde mich gerade in der Ausbildung zur Erzieherin mit Abitur.

Seit wann hast du kurze Haare und wie kam es dazu?

Meine Haare habe ich am 24.02.2015 komplett abrasiert. Meine Intention war es die Haare an eine Perückenmacherei zu spenden welche Echthaarperücken für Kinder mit Krebs oder kreisrundem Haarausfall anfertigt.

Meine Haare wollte ich schon immer mal abrasieren weil ich meine Reaktionen und die meines Umfeldes total spannend fand.

Ein weiterer Grund war »The bald movement«. Es ist ein Projekt was Frauen zeigen soll, dass Haare ein Schmuck sind den man tragen kann wenn man mag, aber ohne den man genauso schön ist. Die Bilder und Texte die dort von überall aus der Welt kommen geben vor allem vielen kranken Frauen Kraft.

Wie waren deine Empfindungen als du deine Haare abgeschnitten hattest?

Ich war sehr euphorisch. Im Endeffekt haben wir meine Haare mit einer Hundeschermaschine gekürzt. Das was eben gerade da war. Ich habe es mit Haaren kaum noch ausgehalten. Trotzdem habe ich es sehr genossen meine langen Haare im Badezimmer noch ein letztes Mal zu flechten. Traurig war ich kein Stück, denn es ist einfach toll seinen Schädel das erste mal richtig zu fühlen. Es ist kein Vergleich zu den langen Haaren.

Wie wichtig sind dir deine Haare und wie hat sich deine Einstellung zu ihnen verändert? 

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich meine Haare nicht unbedingt brauche. Mein Umfeld brauchte meine Haare mehr. Mein Vater war der festen Überzeugung, dass ich durch den Verlust meiner Haare einen Teil meiner Identität abgegeben hätte. Überall um mich herum geschockte Gesichter. Trotzdem ich meine Haare nicht brauche, entscheide ich über sie und da sollte mir keiner reinreden.

Beeinflusst die Frisur, wie man von anderen Menschen wahrgenommen wird?

Unausweichlich. Ich bin mal in einen Bus eingestiegen und habe die Blicke gezählt die ich bekam. Auf zehn bis fünfzehn Minuten Busfahrt kamen insgesamt 117 Blicke.

Natürlich fragen sich die Leute ob ich Krebs habe. Das ist nunmal das übliche Bild, die normale Assoziation. Morgens in der Bahn saß ein Mann der mich tröstend anlächelte immer wenn sich unsere Blicke streiften. Ich denke er wollte mir sein Mitgefühl ausdrücken obwohl ich ja nicht krank bin.

Sollten mehr Frauen ihre Haare spenden? Sollten mehr Frauen kurze Haare »ausprobieren«? 

Meiner Meinung nach sollte jeder der es kann seine Haare spenden! Das tolle ist, dass man sich keine Glatze schneiden lassen muss, sondern auch einfach nur bis zu den Schultern gehen kann. Wer kurze Haare ausprobieren möchte soll das gerne tun. Gezwungen wird hier ja zum Glück keiner. Ich kann nur sagen, dass auf jeden komischen Blick mindestens ein Kompliment kam.

Welche Erlebnisse hattest du durch deine Veränderung?

Das waren sehr viele verständnislose und verachtende Aussagen neben den Komplimenten, die fast ausschließlich von Männern kamen. Bei denen scheint Gleichberechtigung, auch bei den Haaren, noch nicht angekommen zu sein.

»So bekommst du doch nie einen Mann.«

»Wenn du sie jetzt wachsen lässt hast du bis dahin wieder lange schöne Haare.«

»Du hast einen Freund?«

»Warum hast du das gemacht?«

Das schlimmste – und jetzt kann ich alle Menschen mit Afro, sowie schwangere Frauen nachvollziehen – ist, dass jeder deinen Kopf anfassen und streicheln will. Den Kindern im Kindergarten habe ich das fast ausnahmslos erlaubt, denn den Trick, dass nach vorne streicheln weich und nach hinten streicheln kratzig ist finden die super und es ist ein toller Eisbrecher.

Wie wirst du deine Haare in Zukunft tragen? 

Mittlerweile lasse ich meine Haare wachsen. Genau jetzt wo sich mein Umfeld an die Glatze gewöhnt hat. Ich vermisse meine Haare auch wenn ich der Meinung bin, dass ich sie nicht brauche um ich selbst zu sein und mein Leben zu leben. Nach einem Jahr habe ich erstmal genug komische Blicke und Trubel um mich gehabt. Jetzt gönne ich mir ein bisschen Länge.

Mehr von Meret auf Instagram erfahren.