Tamara

29 Jahre, Veranstaltungsmanager

Wieso hast du keine Haare?

Als mir mit 7 Jahren meine Haare ausgefallen sind, kannte man die Ursache dafür nicht. Nach etlichen Arztbesuchen wurde Alopecia attestiert. Therapien und Heilungsversuche erfolglos. Die Forschung dazu war damals so rudimentär, dass die Ärzte lediglich Vermutungen anstellen konnten und nicht wirklich wussten, was die Ursache dafür gewesen ist oder ob man es je heilen könne.

Heute meine ich die Ursache relativ sicher zu kennen. Mit Haarausfall reagiert mein Körper auf Stress. Dies denke ich, da mir heutzutage in stressigen Phasen meine Wimpern ausfallen. Die einzigen Haare, die mir noch ausfallen könnten. Zum Glück wachsen diese nach einiger Zeit immer wieder nach. Dennoch bedeutet dies für mich natürlich zusätzlichen Stress. Ein Teufelskreis also, aus dem auszubrechen schwerer fällt als man denkt.

Tamara mit einer Perücke
Tamara ohne Haare

Trägst du deine Perücke immer? Würdest du dich auch ohne wohlfühlen?

Ich trage meine Perücke immer in der Öffentlichkeit. Ohne würde ich derzeit nicht das Haus verlassen. Bis ich ca. 15 Jahre alt war, hatte ich keine Perücke und in dieser Zeit war es für mich auch vollkommen in Ordnung ohne Haare. Erst in meiner Jugend, in den Anfängen des abendlichen ausgehen, Bekanntschaften mit Jungs, etc. wurde mir meine Glatze zunehmend unangenehm. Nicht, weil mir jemand dumm kam, sondern eher weil ich nicht mehr auffallen wollte. Ich wollte einfach sein, wie jeder andere auch. Eine Person, die erst auf den zweiten Blick ein »kleines Geheimnis« offenbart. Daher beschloss ich damals, mir eine Perücke zuzulegen.

Ab diesem Zeitpunkt hat mich niemand mehr ohne Perücke gesehen. (Bis auf ein paar Ausnahmen wie Familie und sehr gute Freunde.) Das liegt wohl daran, dass ich mich ohne Perücke selbst nicht wirklich mag. Die Perücke gehört für mich einfach dazu.

Wenn ich zuhause bin, in Anwesenheit meines Freundes, meiner Familie und guten Freunden, setze ich die Perücke schon auch mal ab. Das passiert immer dann, wenn sie mich nervt, kratzt oder mir zu warm ist. Nachts setze ich die Perücke grundsätzlich ab.

Kann Alopecia geheilt werden? Kann sich die Krankheit verändern?

Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich weiß, dass meine Alopecia wohl nicht mehr heilbar ist, da meine Haarfolikel zum Teil schon nicht mehr vorhanden sind. Ich weiß auch, dass Cortison kurzfristig hilft. Sobald man es absetzt, geht der Effekt aber verloren. Und ob man die Nebenwirkungen von Cortison für einen kurzfristigen Erfolg ertragen möchte, halte ich für fraglich.

Aber wer weiß. Wenn ich es schaffe, mein Leben komplett zu entstressen und zu entschleunigen, wächst vielleicht etwas. Ich allerdings habe meinen Frieden damit geschlossen und glaube nicht dran.

Wie wirst du von deinem Umfeld wahrgenommen?

Das müsste man wohl besser mein Umfeld fragen. Ich persönlich hatte sehr großes Glück, bisher nur auf Menschen zu treffen, die sehr interessiert und verständnisvoll reagiert haben. Gerade in der Kindheit ist so etwas nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, wie fies kleine Kinder und auch Jugendliche sein können.

Welchen Umgang und welche Reaktionen wünschst du dir von deinem Umfeld oder von Fremden?

Ich würde mir wünschen, dass Personen die damit in Berührung kommen, ihre Berührungsängste verlieren und sich trauen, sofort nachzufragen. Ab und an passiert es, dass sich fremde Menschen mehr mit meinem Haaransatz unterhalten, als mit mir. Wenn man dort mit seinen Blicken verweilt, fällt natürlich schneller auf, dass da »etwas nicht stimmt«. Ich kann verstehen, dass sich viele dann erst einmal ihren Teil denken und lieber nichts sagen. Man weiß ja auch nicht genau, wie der Betroffene reagiert. Aber ich persönlich finde es besser, wenn ich sofort erklären kann, warum ich keine Haare habe, bevor man mich Stunden- oder Tagelang bemitleidet, weil man eine schlimme Krankheit dahinter vermutet.

Tamara mit einer Perücke
Tamara ohne Haare

Findest du, dass sich Haar und ihre Länge auf die Weiblichkeit auswirken?

Ich finde definitiv, dass sich Haare und deren Länge auf die Weiblichkeit auswirken. Damit möchte ich auf keinen Fall sagen, dass Frauen mit kurzen Haaren nicht weiblich sind oder unweiblicher als andere. Aber für mich persönlich gehören lange, gesunde Haare zu einer Frau dazu. Haare definieren nun mal das Gesicht und ein Stück weit auch die Attraktivität einer Person. Ohne Haare wirkt man oft ungesund und kurze Haare wirken mir persönlich oft zu kantig und aggressiv. Mag aber evtl. auch daran liegen, dass ich keine Haare habe und man ja grundsätzlich das begehrt und schöner findet, was man selbst nicht hat.

Welche Erlebnisse machst du durch deine Krankheit?

Grundsätzlich verläuft mein Alltag mit Alopecia sehr unspektakulär und normal. Alopecia bringt so seine Vor- und Nachteile mit sich. Ich persönlich empfinde es zum Beispiel als Vorteil, mich schnell und oft verändern zu können, ohne großen Schaden anzurichten. (zum Beispiel durch Verfärben oder Verschneiden der Haare). Gefällt mir ein Look nicht mehr, wird eben einer neuer gekauft oder kreiert. Auch empfinde ich es als sehr angenehm, ohne Haare zu duschen oder zu schlafen. Ich kenne es aber auch nicht anders.

Nachteile sind zum Beispiel, dass ich aufgrund der Alopecia seit über 10 Jahren auf einiges verzichte, was ich grundsätzlich sehr gerne gemacht habe. Im Wasser zu tauchen, unbeschwert ins Wasser zu springen, Achterbahn fahren, Handstand machen... das sind alles Sachen, die ich das letzte Mal vor über 10 Jahren gemacht habe. Das ist aber selbstverständlich mein eigenes Problem, weil ich alles machen könnte, würde ich nur die Perücke wieder abziehen. Das traue ich mich aber nicht.

Diese Sachen sind aber eigentlich gar nicht so wichtig. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, hätte ich gerne eine so gut entwickelte Perücke, dass ich mit ihr jegliche Frisur machen könnte, die man so kennt. Z.B. ein riesen Dutt oben auf dem Kopf finde ich derzeit sehr lässig. Bei mir mehr als schwierig umzusetzen, ohne dass der Gegenüber Verdacht schöpft.

Solange das aber meine einzige Sorge ist, jammere ich auf sehr hohem Niveau.


Mehr von Tamara auf ihrem Blog, auf Facebook und auf Instagram erfahren.